Werbung* „Neualbenreuth“ – vor nicht allzu langer Zeit war in dem idyllischen Städtchen die „Welt zu Ende“. Denn kurz hinter der kleinen oberpfälzischen Gemeinde verlief mit der Grenze zur Tschechoslowakei der eiserne Vorhang. Seit der Wende ist das im vergangenen Jahr mit dem Titel „Bad“ geadelte Neualbenreuth in die Mitte Europas gerückt. Denn der Mittelpunkt Europas liegt in der Nähe des 940 m hohen Tillenberges.
Bad Neualbenreuth – Wanderregion mit Wachstumsperspektive
Bad Neualbenreuth ist also seit 2019 staatlich anerkanntes Heilbad. Das Sibyllenbad zieht jährlich zigtausende Badegäste in die kleine Marktgemeinde an der Grenze zu Tschechien. Doch mit rund 200 km markierten Wanderwegen bietet Bad Neualbenreuth auch passionierten Wanderern reichlich Möglichkeit, dem gesunden und immer populärer werdenden Hobby zu frönen. Zu den Wanderhighlights der Region gehören unter anderem der 133 km lange Nurtschweg und die Geschichts- und Sagenwanderwege. Einer dieser Wege wird uns heute zum Mittelpunkt Europas führen.
Am Grenzlandturm treffen wir unseren heutigen Wanderführer Michael Rückl. Wanderführer, Wegepate, Hüttenwart – Michael setzt sich auf vielfältige Weise dafür ein, dass das Wandern rund um Bad Neualbenreuth zur wahren Freude wird. Der Grenzlandturm ist das Wahrzeichen der Gemeinde und wurde von der Sudetendeutschen Landsmannschaft fast 40 Jahre lang für den sehnsüchtigen Blick in die Egerländer Heimat genutzt. Heute ist er mit seiner Gastronomie ein beliebtes Ausflugsziel und aufgrund dieser Geschichte ein historisches Mahnmal.
Über die „wilde Grenze“ nach Tschechien
Für uns ist der Grenzlandturm heute Startpunkt unserer Wanderung zum sagenumwobenen Tillenberg. Gerade mal knapp einen Kilometer sind wir unterwegs, als unser Wanderführer plötzlich stehen bleibt und fragt, ob uns irgendetwas auffällt. Wir queren gerade einen Waldweg und richtig – wie an einer Perlenkette reihen sich weiße Steine am Weg entlang. Wir sind gerade dabei, die Deutsch-Tschechische Grenze zu überqueren. Ohne Schlagbaum oder Passkontrolle, einfach so zu Fuß. Ein Unterfangen, dass nur ein paar Jahrzehnte zuvor einem Todesurteil gleich gekommen wäre.
Heutzutage aber können wir ganz beruhigt durch Tschechien weiter wandern. Michael führt uns an einer Dorfstelle vorbei und erklärt, dass das ehemalige Ullrichsgrün nach dem zweiten Weltkrieg Oldrichov genannt wurde und dann wie alle anderen grenznahen Orte des Egerlandes geschleift wurde. Heute ist von dem einstigen Bauerndorf nichts mehr zu sehen ist. 31 Häuser sind fast spurlos verschwunden. Fast verschwunden ist auch das ehemals stattliche Tillenberghaus, dessen klägliche Überreste wir nach einem steilen Anstieg erreichen. Die Hütte der Sektion Eger des Deutschen Alpenvereines wurde 1926 eingeweiht und erfreute sich großer Beliebtheit. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie abgetragen und nach Pilsen verbracht.
Relikte des Kalten Krieges
Bevor es nun weiter hinauf auf den Gipfel des Tillenberges geht, hat Michael noch eine Überraschung für uns. Er zeigt uns ein ehemaliges Objekt der Tschechoslowakischen Volksarmee, das als Unterkunft für die Soldaten der Aufklärungsstation auf dem Tillenberg diente und heute ein veritabler Lost Place ist. Die Verlockung, durch die verwaisten Gänge und Stuben zu stöbern ist groß. Ich selbst bin aber in solchen Dingen eher ein „Schisser“ und deshalb erkunde ich das Gebäude lieber nur von außen.
Die Soldaten der Funktechnischen Aufklärung hatten von der Unterkunft einen ziemlich steilen Anstieg zur ihrer Einsatzstation auf dem Plateau des Tillenberges zu bewältigen. Genau diesen Weg gehen wir jetzt auch. Der riesige Turm auf dem Tillenberg beherbergt heute aber keine Soldaten mehr, sondern wird von einigen Tschechischen Radiosendern genutzt. Wir haben heute sehr viel Glück und dürfen die Aussicht vom Turm genießen. Normalerweise ist dieser Touristen nicht zugänglich. Eigentlich schade. Denn auf dem Gelände gibt es neben dem Turm noch eine kleine private Sammlung mit militärischen und zivilen Gegenständen aus der Zeit des Kalten Krieges. Mir, der ich einst selbst zu den Aufklärungseinheiten der Bundeswehr gehörte, ging jedenfalls hier das Herz auf.
Der sagenumwobene Tillenberg
Natürlich ranken sich um die geheimnisvolle tschechoslowakische Truppe auf dem Tillenberg jede Menge Geschichten und Mythen. Und überhaupt, der Tillenberg ist sagenumwoben. Die Rede ist zum Beispiel von der einstigen Tillenstadt. Sie sei sehr reich gewesen, aber die Bewohner habgierig und geizig. Und so kam es, dass die Stadt zur Strafe heute irgendwo im Erdboden versunken liegt. Ebenso erzählt man sich von einer Wahrsagerin namens Sibylle Weis. Diese gab übrigens auch dem Sibyllenbad in Bad Neualbenreuth ihren Namen.
Wir wandern weiter zum Granatbrunnen. Der ist gleichfalls mit einer Sage verbunden. Hier soll es nämlich früher Granate, also rote Halbedelsteine, in solcher Menge gegeben haben, dass es eines Fuhrwerks bedurft hätte um sie wegzufahren. Ihr ahnt es vielleicht schon: ein geiziger Steinmetz liegt aufgrund seines Fehlverhaltens mittlerweile samt seines Schatzes tief unter dem Granatbrunnen vergraben. Habt Ihr Lust auf weitere Sagen vom Tillenberg? Hier findet Ihr noch ein paar Geschichten.
Der Mittelpunkt Europas
Unweit des Granatbrunnens, und das ist jetzt keine Sage, liegt der Mittelpunkt Europas! Hier steht ein aus dem Jahre 1985 stammender Gedenkstein. Der Originalstein geht aber bereits auf das Jahr 1865 zurück und stand auf dem höchsten Punkt des Tillenberges. Der Gipfel des Tillenberges wurde von Geographen der Österreich-Ungarischen Monarchie als geografischer Mittelpunkt Europas berechnet. Sicherlich, es gibt mittlerweile einige Orte, die den Mittelpunkt Europas aus verschiedenen Gründen für sich beanspruchen. Der Mittelpunkt bei Bad Neualbenreuth beruft sich aber auf eine der ältesten Messungen. Und so halten wir ihn gerne für „DEN“ Richtigen und lassen uns stolz davor ablichten.
Vom Mittelpunkt Europas führt uns Michael wieder zurück in Richtung Grenzlandturm. Aber unterwegs hat er uns selbstverständlich noch etwas zu zeigen. Am „Neualbenreuther Maar“ wäre ich wohl glatt vorbei gelaufen, aber wofür hat man einen orts- und sachkundigen Wanderführer dabei! Bei Bohrungen auf der Suche nach Erdwärme entdeckten Wissenschaftler bei Bad Neualbenreuth einen Vulkansee. Möglicherweise fand hier vor ca. 200.000 Jahren der jüngste Vulkanausbruch Bayerns statt. Spannend!
Wandern bei Bad Neualbenreuth – die Mischung macht´s
Voller Eindrücke kommen wir wieder am Grenzlandturm an. Die herrliche, unberührte Natur. Geschichten und Geschichte aus jüngerer und älterer Vergangenheit. Sagen und Mythen – eine gelungene Mischung aus verschiedenen Wanderzutaten macht das Wandern um Bad Neualbenreuth zu einem tollen Erlebnis. Und nicht zuletzt sind es die Menschen, die die kleine oberpfälzische Gemeinde zum Wanderparadies machen. Menschen wie unser Wanderführer Michael Rückl, der die Region wie seine Westentasche kennt. Oder Juliane, die uns am Tillenberg mit einem herzhaften Picknick überraschte. Von ihren Eltern hat sie hat vor kurzem die Führung des Restaurants Adamhof in Hardeck übernommen. Und ist mit Leib und Seele bei der Sache.
Das Wanderglück komplettiert hat unsere Unterkunft im Landschloss Ernestgrün. Umgeben von Biotopen wohnt man hier ja quasi mitten in der Natur und möchte diesen Ort eigentlich gar nicht verlassen. Besonders gefallen hat uns der historische Charme der Anlage. Ein toller Ort zum Ausspannen und Energie tanken. Und auch hier haben wir die Gastfreundschaft sehr genossen! Bad Neualbenreuth hat uns überzeugt! Wir kommen gerne irgendwann mal wieder zum Wandern in der Mitte Europas! Lust bekommen? In der Region waren wir auch auf dem Rinnlstein-Rundweg unterwegs.
Bad Neualbenreuth – Fotos und Disclaimer
*Zum Bloggertreffen Wandern in Bad Neualbenreuth wurden wir eingeladen. Dafür meinen allerherzlichsten Dank! Die Kooperation mit dem Veranstalter hat meine Berichterstattung jedoch in keinster Weise beeinflusst und ich gebe hier ausschließlich und ehrlich meine persönlichen Eindrücke wieder.
Transparenz und Offenheit sind mein Credo und somit Verpflichtung bei allem, was ich schreibe, dazu habe ich mich durch das Unterzeichnen des Outdoor Blogger Codex verpflichtet.
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Ok, jetzt verstehe ich: Grenze zwischen BRD (Bayern) und Tschechoslowakei, nicht zwischen DDR und Tschechoslowakei (da wäre eine Grensüberquerung mit Reisestempel wohl möglich gewesen); alles klar. Schöner Bericht, lieber Jörg.
Ein sehr schöner Artikel. Da ich gerade erst mit dem Wandern beginne, wollte ich mir in Blogs ein wenig Anregung holen. Mit solchen Beiträgen fällt es mir aber schwer, alles unter einen Hut zu bekommen. Würde mich am liebsten direkt ins Auto setzen und hinfahren. Danke jedenfalls für den tollen Bericht. Ist gespeichert.
Vielen lieben Dank für das tolle Kompliment. Du hast recht, es gibt so viele schöne Ecken, die noch erwandert werden wollen. Da fällt die Wahl nicht leicht!
Herzliche Grüße, Jörg
Schöner Artikel über eine interessante Gegend! Ein guter Tipp für Urlaub in Deutschland!
Vielen lieben Dank für das Kompliment! Ja, eine schöne Urlaubsregion die einiges zu bieten hat!