Es muss nicht immer der Jakobsweg sein! Auch beim Pilgern auf dem Rheingauer Klostersteig findet man Ruhe und Besinnung. Was das Pilgern vom Wandern unterscheidet, wollte ich schon immer mal ausprobieren. Und nun habe ich es getan! Der ca. 30 Kilometer lange Rheingauer Klostersteig wurde 2016 eröffnet und gehört zu den „Qualitätswegen Wanderbares Deutschland“. Pilgern im Rheingau hat seitdem eine neue Qualität.
„Du Mensch, du brauchst keine Meere zu überqueren,
keine Wolken zu durchdringen oder die Alpen zu überschreiten.
Du brauchst keinen weiten Weg zu machen, sage ich.
Geh deinem Gott entgegen bis zu dir selbst.“(Bernhard von Clairvaux, aus einer Predigt zum Advent)
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Pilgerst Du schon oder wanderst Du noch?
Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Und so habe ich mir schon oft Gedanken gemacht, was das Pilgern vom Wandern unterscheidet. Oder gibt es da am Ende keinen Unterschied? Die Tour auf dem Rheingauer Klostersteig mit dem Pilgerführer Wolfgang Blum hat mir zumindest einige Antworten gegeben. Ich bin kein besonders eifriger Kirchengänger, dennoch hat mich das Pilgern auf dem Rheingauer Klostersteig berührt… ich habe wieder ein Stückchen mehr über mich selbst gelernt. Und das ist es, was das Pilgern ausmacht.
Mit den Füßen beten
Der Rheingauer Klostersteig verbindet auf seinen 30 Kilometern sechs Klöster, von denen drei auch heute noch als solches genutzt werden. Diese Klöster gehören zum Bistum Limburg. Doch nicht nur in den Klöstern wird gebetet – unterwegs laden Ruhepunkte zum Nachdenken ein. Anregungen dazu geben Impulstafeln und die Texte im Pilgerpass. Was ist mein Ziel… auf diesem Weg, in meinem Leben? Wolfgang nennt das: mit den Füßen beten!
Der Rheingauer Klostersteig beginnt am Kloster Eberbach, führt durch das idyllische Pfingstbachtal nach Johannisberg. Von dort geht es über die Klöster Marienthal und Nothgottes zur Abtei St. Hildegard und endet schließlich am Kloster Marienhausen. In der Regel sind die Klöster tagsüber geöffnet.
Mit den Füßen beten, das empfehle ich in zwei Etappen. Übernachten kann man beispielsweise in Johannisberg. Zwar habe ich mir ja schon bewiesen, dass ich 100 Kilometer am Stück gehen kann und sicher hätte ich die 30 Kilometer auch am Stück „runtergerissen“, aber Pilgern ist ein ganz anderes Ding. Hier habe ich die Langsamkeit beim Wandern wieder entdeckt. Normalerweise gehe ich mit meinem Tempo bei Wanderungen vorneweg. Hier beobachte ich mich, wie ich oft ganz am Ende unserer kleinen Truppe laufe. Es wäre Frevel hier einfach durch zu hasten und sich nicht die Zeit zu nehmen, die Natur zu genießen und sich nicht von der Atmosphäre der Klöster in den Bann ziehen zu lassen.
Unterwegs auf dem Rheingauer Klostersteig
Denn es gibt ja allerhand zu sehen auf dem Klostersteig. Direkt am Kloster Eberbach führt der Weg steil bergauf. Und schon bald hat man den ersten wundervollen Ausblick auf das Rheingau. Der Klostersteig führt uns durch das mega idyllische Pfingstbachtal. Ich lasse mir an den Ruhepunkten Zeit, lasse mich von den Impulstafeln inspirieren. Die Hallgarter Zange lädt mit ihrem Aussichtsturm zu einer Pause ein. An der Basilika Schloss Johannisberg lasse ich am Goetheblick meinen Blick in die Ferne schweifen. Am Kloster Marienthal erfrische ich mich am Pilgerbrunnen. Wie mag sich wohl ein Pilger in früheren Zeiten gefühlt haben, als er nach einem langem, entbehrungsreichen Tag hier seinen Durst stillen durfte?
Das Kloster Nothgottes liegt in einem verwunschenen Seitental. Ganz anders die Abtei St. Hildegard. Ein echtes Highlight im doppelten Sinne. Hoch am Berg genieße ich abermals eine phänomenale Aussicht. Und schlendere durch den Klosterladen. Wie es sich für das Rheingau gehört, findet man hier erlesene Weine. Durch das Ebental erreicht man schließlich das Kloster Marienhausen. Erstaunt höre ich, dass hier der von mir so sehr geschätzte ehemalige Bischof von Limburg, Franz Kamphausen, wohnt. Und er ist es auch, der mir gleich eine Botschaft übermitteln wird.
Zeugnis für das Geleistete – der Pilgerpass
Denn wir haben am Anfang der Pilgerwanderung einen Pilgerpass bekommen. In jedem der sechs Klöster konnten wir einen Stempel ins Heftlein drücken. Im Kloster Marienhausen gibt es nicht nur den sechsten und letzten Stempel – hier steht auch eine Schatztruhe. „Geocaching“ kommt es mir gleich in den Sinn.
Und tatsächlich ist es so ähnlich. Auf den Stempelabdrücken befinden sich kleine Zahlen. Bringt man diese in die richtige Reihenfolge, lässt sich hier das Vorhängeschloss der Schatzkiste öffnen. Darin wartet eine kleine Überraschung auf den Pilger. Das Eberbacher Kreuz und eine Botschaft von Franz Kamphaus.
Ein Kreuz aus dem Weinstock! Das trage ich bei mir – oder besser: es trägt mich in guten und in bösen Tagen. Ich halte es fest in meiner Hand oder besser: es hält mich. Es gibt mir Halt! (Franz Kamphaus)
Und so halte ich das kleine Holzkreuz tatsächlich in der Hand. Und tatsächlich: es berührt mich! Ich habe etwas sehr schönes erlebt und dieses Kreuz wird mich immer daran erinnern.
Einkehr, Übernachtung und wichtige Links
„Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“ sagt man. Am Rheingauer Klostersteig kann man im Restaurant an der Hallgarter Zange einkehren. Auf der zweiten Etappe liegt im Klostercafé der Abtei St. Hildegard gut und günstig essen. Das Hotel Neugebauer in Geisenheim-Johannisberg gehört zu den „Qualitätsgastgebern Wanderbares Deutschland“ und nimmt Wanderer auch für eine Nacht sehr gerne auf.
Alles Wichtige zum Klostersteig könnt Ihr auf der Seite des Kulturlandes Rheingau nachlesen. Solltet Ihr einen Pilgerführer benötigen, so kann ich Euch Wolfgang Blum empfehlen. Ein echtes „Original“ und Rheingau-Kenner.
Der Rheingauer Klostersteig gehört zu den „Qualitätswegen Wanderbares Deutschland“. Wie es der Zufall will, durfte ich auf der Wanderung Ulrich Pramann kennen lernen. Als Herausgeber und Chefredakteur des jährlich erscheinenden Printmagazines „Wanderbares Deutschland“ arbeitet er schon jetzt an der Ausgabe 2019. Über den Rheingauer Klostersteig wird es dort einen ausführlichen Artikel geben. Ulrich hat mir die Ausgabe 2018 überreicht, die ich für Euch in einem meiner nächsten Artikel unter die Lupe nehmen werde.
Pilgern auf dem Rheingauer Klostersteig – 30.000 Schritte zur Besinnung
Pilgern im Rheingau hat durch den Rheingauer Klostersteig eine neue Qualität bekommen. Der Weg ist bestens ausgeschildert und wird liebevoll gepflegt. Das Pilgerheft und die kleine Überraschung zum Ende der Wanderung lassen die Tour zu etwas ganz Besonderem werden. Man muss nicht besonders gläubig sein um den Weg zu gehen aber man sollte sich auf die gegebenen Impulse einlassen. 30.000 Schritte zur Besinnung – für mich eine Erfahrung, die mir gut getan hat!
Weitere schöne Wandertouren in der Region findet Ihr übrigens in „Wanderugen für die Seele – Rheingau/Taunus“
Weitere Fotos und Disclaimer
Die Pilgerwanderung fand auf Einladung der Rheingau-Taunus Kultur & Tourismus GmbH sowie der Wiesbaden Marketing GmbH statt. Dafür meinen allerherzlichsten Dank! Die Kooperation mit dem Veranstalter hat meine Berichterstattung aber in keinster Weise beeinflusst und ich gebe hier ausschließlich und ehrlich meine persönlichen Eindrücke wieder.
Transparenz und Offenheit sind mein Credo und somit Verpflichtung beim Verfassen aller meiner Artikeln, dazu habe ich mich durch das Unterzeichnen des Outdoor Blogger Codex verpflichtet.
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Hallo Jörg, ein sehr stimmungsvoller Beitrag und tolle Fotos. Ich finde auch die Idee mit der Schatzkiste am Ende spannend. Ich stimme dir zu, es muss auch nicht immer der Jakobsweg sein. Ich bin der Meinung, dass man auch auf einem „gewöhnlichen“ Wanderweg pilgern kann, genauso wie man umgekehrt auch auf einem Pilgerweg wandern kann. Auf den Pilgerwegen triff man oft Leute, die aus rein sportlichen, kulturellen oder Gründen unterwegs sind, die nichts oder nur wenig mit Spiritualität zu tun haben. Das ist auch in Ordnung. Ich denke, dass es auf die innere Einstellung ankommt.
Liebe Grüße aus Nürnberg,
Dario :-)
Danke für Deinen Kommentar Dario!
Liebe Grüße aus Limburg, Jörg
Lieber Jörg,
Freut mich, dass dir dein Ausflug in „meine Welt“ so gut gefallen hat. Ich habe mich nämlich beim Langstreckenwandern nach den beiden Caminos ebenfalls gefragt, ob das nicht das Gleiche ist.
Ist es nicht, war auch meine Erfahrung. Pilgern fühlt sich noch mal anders an – vielleicht liegt es an den Orten der Einkehr, vielleicht daran, dass man unbewusst mit den Füßen betet, wie du so schön schreibst.
Ganz großer Unterschied für mich war aber auch immer die abendliche Gesellschaft und das Gefühl, allein schon durch die Infrastruktur drum herum, irgendwie begleitet zu sein.
Wäre er länger, ich würde den Klostersteig glatt mal machen. Andererseits habe ich einen Großteil ja indirekt auf dem Rheinsteig erwandert ;)
Liebe Grüße,
Audrey
Danke für Deinen Kommentar liebe Audrey,
ja, der Rheinsteig läuft teilweise parallel. Aber eben nur teilweise. Die Gesellschaft? Ja, das stimmt, ich habe auch ganz angenehme Menschen kennen gelernt. Und auch das ist sehr wichtig.
Liebe Grüße aus Limburg,
Jörg
An der Abtei St. Hildegard war ich schon einige Male. Einmal bin ich vom Niederwalddenkmal aus dorthin gewandert, doch dieser Pilgerweg hört sich total einladend an. Ich werde ihn definitiv in einen zukünftigen Deutschlandbesuch mit einplanen. Danke für den Anstoß, lieber Jörg.
Danke für den Kommentar liebe Tanja! Für mich war es ja keine weite Reise, ich war total überrascht so etwas ganz in der Nähe zu finden! Schön, dass es auch Dich anspricht! Liebe Grüße, Jörg