Corona – an diesem Thema kommt man zur Zeit ja nirgendwo vorbei. Und vor einiger Zeit dann auch die Meldung, dass alle Jakobswege und Pilgerherbergen in Spanien geschlossen sind. Das rief mir in Erinnerung, dass ich Euch ja noch die Fortsetzung meines letztjährigen Pilgerabenteuers auf dem Camino del Norte schuldig bin. Nachdem meine Schwester und ich einige Kilometer nach Bilbao das Baskenland hinter uns gelassen hatten, ging es als nächstes auf dem Camino del Norte durch Kantabrien weiter.
Der Camino del Norte in Kantabrien – keine Wohltat für die Füße
Die autonome Gemeinschaft Kantabrien ist die Nachbarregion des Baskenlandes und liegt ebenfalls am Golf von Bizkaya. Wie das Baskenland ist auch Kantabrien hügelig bis bergig. Vom Camino del Norte aus konnten wir die über 2000 m hohen Picos de Europa sehen, zum Glück mussten wir aber dort nicht drüber. Trotzdem gab es unterwegs auch ein paar heftige Steigungen zu überwinden. Durch Kantabrien führen ca. 225 km des Camino del Norte.
Die Grenze zwischen dem Baskenland und Kantabrien liegt irgendwo zwischen Pobena und Castro Urdiales und am 8. Tag unserer Pilgerreise überquerten wir diese, ohne es eigentlich so richtig bemerkt zu haben. Onton heißt das erste kleine Städtchen in Kantabrien. Die letzten Kilometer im Baskenland waren von Asphalt geprägt und das setzte sich leider auch in Kantabrien fort. Eine echte Tortur für Beine und Füße. Die wenigen naturbelassenen Pfade waren hingegen eine richtige Wohltat. Aufgrund von allerlei Zipperlein ließ unser Tagespensum allerdings merklich nach.
Camino del Norte in Kantabrien – dennoch gab es schöne Etappen
Aber auch, wenn die vielen Asphaltabschnitte genervt haben: der nordspanische Küstenweg hat wie im Baskenland auch in Kantabrien wunderschöne Abschnitte. Von Pobena nach Castro Urdiales führte uns ein eindrucksvoller Weg wirklich direkt an der Küste entlang. Diesen durften wir bei herrlichem Sonnenschein genießen. Von Galizano nach Somo nahmen wir eine etwas längere Variante, die dafür landschaftlich glänzen konnte. Es ging dort immer an einer Steilküste mit imposanten Felsen und irre schönen Ausblicken entlang. Das Meer leuchtete tiefblau und Santander war in der Ferne zu sehen. So hatten wir uns den Küstenweg vorgestellt! Und auch der Weg von Boo bis Requejada war einer der schönsten Abschnitte des Camino del Norte in Kantabrien. Immer wieder tolle Ausblicke aufs Meer und in die Berge. Keine Frage, Kantabrien hat einiges zu bieten. Wenn halt nur der viele Asphalt nicht wäre!
Pilgern in Kantabrien – die Städtchen sind das Salz in der Suppe
Viele der Städtchen, die wir durchquert haben, machen Lust auf Badeurlaub. Lange Sandstrände, Strandcafés, mondäne Unterkünfte. Da könnte man länger verweilen. Aber als Pilger ist man ja immer auf dem Sprung. Besonders beeindruckt haben mich die Städtchen Castro Urdiales und Santillana del Mar. In Castro Urdiales unterbrachen wir unsere Pilgerreise spontan am sehr frühen Nachmittag und hatten so noch etwas Zeit, das schmucke Städtchen zu erkunden. Wir schlenderten durch die Marina und die wunderschöne Altstadt. Und auch die Festung Santa Ana hat es uns angetan. Darüber hinaus konnte man in Castro Urdiales wunderbar shoppen. Das heißt in diesem Falle, dass eine Flasche Wasser, ein paar Kekse und ein alkoholfreies Radler für den nächsten Tag in meinen Rucksack wanderten.
Santander haben wir bei Regen durchquert, deshalb hatten wir nicht so viel Muse für einen Stadtbummel. Die Kathedrale Mariä Himmelfahrt sollte man sich aber unbedingt anschauen und direkt nebenan im Café „La Catedral“ kann man wunderbar frühstücken oder einfach einen Cappuccino genießen. Ein paar Kilometer westlich von Santander liegt Santillana del Mar, welches aufgrund seiner jahrhundertealten Altstadt auch als so etwas wie das Rothenburg ob der Tauber von Kantabrien bekannt ist. Der mittelalterliche Ortskern ist fast vollständig erhalten und so ist das Städtchen ein wahrer Touristenmagnet. Aber scherzhaft wird Santillana del Mar auch „Stadt der drei Lügen“ genannt, denn sie ist weder heilig (santa) noch flach (llano). Und sie liegt auch nicht am Meer (del Mar)
Urige Pilgerherbergen gibt es auch in Kantabrien
Nicht immer haben wir in „echten“ Pilgerherbergen übernachtet. Manchmal haben wir uns auch ein Hotelzimmer gegönnt, zumal dies zu zweit keine Mega-Ausgabe darstellt. Aber am besten hat es uns dort gefallen, wo wir auch wirklich andere Pilger getroffen haben. Zum Beispiel in der erst 2018 neu eröffneten Herberge in Isla. Was uns dort widerfahren ist, lest Ihr weiter unten. Ein echtes Schmuckstück ist die, schon leicht touristische, Herberge Piedad in Boo de Pielagos. Die Zimmer waren total liebevoll eingerichtet und das Abendessen war ein Genuss!
In Santillana del Mar haben wir in einem ehemaligen Nonnenkonvent übernachtet. Hier wurden die Unterkünfte der Nonnen zu, zugegebenerweise recht spartanischen Doppelzimmern umgebaut und werden nun an Pilger vermietet. In Comillas angekommen, steuern wir die öffentliche Herberge an, die sich in einem ehemaligen Gefängnis befindet und auf die wir uns schon gefreut hatten. Nach einer Nacht im Nonnenkonvent, wäre doch eine Übernachtung in einer Gefängniszelle ganz witzig. Doch leider war die Herberge geschlossen.
Geschichten, die das Pilgerleben schreibt
Urige Pilgerherbergen, schöne Städtchen und reizvolle Etappen – das gehört natürlich alles zu einer schönen Pilgertour. Aber genauso auch Menschen, Geschichten und Anekdoten die einem begegnen und widerfahren. Und davon sind uns von unserer Pilgerwanderung auf dem Camino del Norte in Kantabrien einige in Erinnerung geblieben. Die Übernachtung in der 2018 neu eröffneten Herberge in Isla war ein solches Erlebnis. Schon der Weg dorthin war von Ungewissheit geprägt. Laut Wanderführer war nämlich nicht ganz sicher, ob die Herberge nun wirklich schon eröffnet wurde oder nicht. Und als wir ankamen, standen wir tatsächlich vor verschlossener Tür.
Zum Glück gab es aber eine Telefonnummer und tatsächlich konnten wir die Hospitaleros Sylvia und Felippe erreichen. Von diesen wurden wir kurze Zeit später herzlich begrüßt und mit Bier und Tortilla empfangen. Aber die beiden mussten noch einmal los und übergaben uns die Herberge in gute Hände. Silke und ich waren also Hospitaleros auf Zeit. Und dann kamen tatsächlich Gäste in diese doch etwas abgelegene Herberge. Die Peruanerinnen Mariana und Christina, Johannes aus dem Norden Deutschlands und ein Franzose mit portugiesischen Wurzeln. Es wurde ein lustiger Abend und wir saßen lange bei Wein und Bier zusammen. Der Camino verbindet Menschen und Nationen.
Die Sache mit dem Stempel in Santander und ein Geständnis
Tag für Tag wurden neue Stempel in unseren Pilgerausweis gedrückt. Auf den Stempel in der Kathedrale von Santander waren wir besonders stolz. Und das musste ich dann natürlich über meine Social Media Kanäle kundtun. Blöderweise schrieb ich dort Santiago statt Santander, woraufhin zahlreiche Glückwünsche bei mir eingingen. Nein, den kompletten Camino in drei Wochen? Das habt Ihr mir zugetraut? Kopfschüttel.
Wir haben den ganzen Weg ehrlich per pedes zurück gelegt? Nein, ich gebe es zu.: Hinter Boo hätten wir eine ca. 100 m lange Eisenbahnbrücke überqueren müssen. Dies war zwar möglich aber erstens verboten und zweitens ziemlich gefährlich. Unsere Vorsätze, alles zu Fuß zu machen, warfen wir zu dem Zeitpunkt über Bord, als wir die große Pilgergruppe sahen, die in Boo auf den Zug wartete. Es wird hier geduldet, dass Pilger „als Schwarzfahrer“ im Zug die Brücke überqueren und in der nächsten Ortschaft aussteigen. Und so kam es, dass wir doch ein ganz klein wenig „geschummelt“ haben.
Allerdings nicht so sehr, wie wohl die vier französischen Pilger, die vor der Herberge in Serdio aus dem Taxi stiegen. Erst dachten wir, die Hospitaleros würden aus dem gelben Toyota steigen. Aber dann holten sie die Rucksäcke aus dem Kofferraum. Braungebrannt, dicke Goldkettchen… wie aus einem klischeehaften Film. Und am nächsten Morgen waren sie dann vor allen anderen wieder verschwunden. Gerüchteweise wurden sie beobachtet, als sie am nächsten Bahnhof auf den Zug warteten.
Der Abend in Serdio und die Sache mit dem grünen Asphalt
Unvergessen bleibt auch der Abend in Serdio. Unsere Deutsch- Schweizerisch- Niederländische Pilgergemeinschaft traf sich in der einzigen Bar im Ort und stürzte sich mutig auf die lokalen Spezialitäten. Vor allem der Tresterbrand Orujo hinterließ Eindruck. Viele Grüße an Natascha, Regi, Antonia, Margita (leider warst Du in Serdio nicht dabei), Charlie und Harald. Falls Ihr das lest: Ihr seid tolle Menschen und wir wären gerne noch mit Euch weiter gegangen!
Ach, und eine kleine Anekdote habe ich noch. Und die bezieht sich auf die Wegbeschaffenheit. Wie anfangs beschrieben, hatten wir auf dem Camino del Norte in Kantabrien viele Streckenabschnitte mit Asphalt. Teilweise gab es geteerte Fußwege direkt neben der Straße und die waren rot markiert. Zwischen Comillas und Serdio wechselte die Farbe plötzlich. Etwas sarkastisch musste ich feststellen: Auf grünem Asphalt läuft es sich gleich viel besser!
Asturien – unser Abschied vom Camino del Norte
Mit der Brücke in Colombres überschreiten wir dann auch die Grenze von Kantabrien nach Asturien. Gleich auf den ersten Kilometern haben wir das Gefühl, in einem anderen Land zu sein. Nichts für ungut Kantabrien, aber in Asturien erschien uns einfach alles viel gepflegter. Und wir pilgerten vermehrt auch wieder auf naturbelassenen Pfaden. Unsere Pilgerreise endete nach 19 Tagen im schönen Hafenstädtchen Ribadisella. 415 Kilometer haben wir in diesen knapp drei Wochen zurück gelegt. Bis Santiago de Compostela wären es noch 416 Kilometer gewesen. Und die wollen unbedingt auch noch begangen werden!
Pilgern – einige praktische Tipps zum Abschluss
Nicht zu viel und nicht zu wenig – das ist bei einer solch langen Tour ein schmaler Grat und eine wichtige Entscheidung. Mein Rucksack wog inklusive einem Liter Wasser fast genau 10 kg. Damit bin ich persönlich gut zurecht gekommen. Gerne dürft Ihr Euch meine Pilgerpackliste herunterladen.
Für die An- und Abreise nutzten wir Flüge nach und von Bilbao. Auch Santiago de Compostela hat einen eigenen Flughafen. Umweltbewusster reist man natürlich mit der Bahn. Zum Startpunkt in Irun und vom Endpunkt unserer Pilgertour aus bot sich das Fernbusunternehmen Alsa an. Busfahrkarten kann man im Vorfeld online kaufen.
Pilgerherbergen kann man leider nur im Ausnahmefall telefonisch vorab reservieren. Allerdings hatten wir nie Probleme vor Ort ein Bett zu bekommen. Touristische Herbergen und Hotelzimmer haben wir von unterwegs auch schon mal über booking.com gebucht. Kleiner Tipp: dort werden die Zimmer günstiger, je näher der Abend rückt.
Die Pilgerherbergen und viele Restaurants bieten Pilgermenüs an, die meist aus drei Gängen, Wasser und Wein bestehen. Während man in den staatlichen Pilgerherbergen dafür gibt, was man für richtig hält, verlangen Restaurants und touristisch angehauchte Herbergen zwischen 7 und 15 Euro für ein solches Abendmahl. Ohne Frühstück mussten wir nur selten losgehen, denn die meisten Herbergen bieten ein einfaches Frühstück an. Getränke und Proviant für den Tag kann man in kleinen Geschäften oder Supermärkten kaufen, die man unterwegs meist problemlos findet. Aber aufpassen – die Geschäfte in Spanien schließen oft über Mittag!
Natürlich kommt man mit zwei Satz Wäsche nicht mehrere Wochen aus. Logisch, dass unterwegs gewaschen werden muss. In den meisten Pilgerherbergen gibt es Waschmaschinen und Trockner. Und da die etwas größeren Städte auf Badeurlauber eingestellt sind, ist es auch kein Problem unterwegs einen Waschsalon zu finden.
Der Camino del Norte ist wie alle Jakobswege gut mit gelben Pfeilen und Jakobsmuscheln markiert. Für die Orientierung und die Suche nach Herbergen wurde mir unterwegs die Jakobsweg-App (Buen Camino) ans Herz gelegt. Ich habe sie dann sofort installiert und war begeistert. Diese kostenlose App erleichtert die Etappenplanung ungemein. Allen, die eher auf Print stehen, empfehle ich die Pilgerführer des Conrad Stein Verlages (Affiliate-Link*) oder den des Bergverlages Rother (Affiliate-Link*).
Camino del Norte – kleine Diashow
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Hallo Jörg,
tolle Seite und wunderschöne Bilder. Man bekommt fernweh. Schön war die Zeit.
Liebe Grüße bleib gesund
Harald
Hallo Harald!
Ja, es war wirklich klasse mit Dir und all den anderen auf dem Camino. Schön, dass Du den Weg zu Ende gehen konntest. Silke und ich müssen das noch nachholen!
Bleib gesund! Herzliche Grüße, Jörg