Einen ganz schönen Brocken hatten wir uns da vorgenommen. Zusammen mit meinen Freunden Lutz, Norbert, Jens und Reiner, mit denen ich schon einen Teil Rumäniens erwandert habe, war diesmal eine 24-Stundenwanderung im Harz unser Ziel. Die 24h Trophy, eine Serie von insgesamt fünf Wandermarathons, machte am vergangenen Wochenende Station in Wernigerode. Hoch auf den Brocken sollte es unter anderem gehen, ein Aufstieg der mir schon ein wenig Respekt eingeflößt hat.

Und so holten wir uns am Freitag Abend unsere Starterpakete ab. Erster Eindruck: Hier ist alles bestens organisiert und das Startgeld ist nicht schlecht angelegt. Wir bekommen ein schönes Tour-T-Shirt und einige mehr oder weniger nützliche Kleinigkeiten. Was mir jetzt schon auffällt ist die tolle, kameradschaftliche Stimmung. Viele scheinen sich schon von früheren Wanderevents zu kennen, wovon auch die getragenen Wander-T-Shirts zeugen.


Nach einer kurzen Nacht bei Jens in Goslar starten wir dann am Samstag morgen Richtung Wernigerode. Fabian begleitet uns in seiner Blauen Else mit der Lutz und er im Winter ein weiteres Abenteuer in Angriff nehmen wollen. Die Else soll in Afrika zu einem guten Zweck versteigert werden. Dahin kommen soll sie auf eigenen Rädern. Aber wieder zurück zur 24h Trophy. Vor der herrlichen Fachwerkulisse Wernigerodes haben sich bereits viele Wanderfreunde versammelt als wir auf dem Marktplatz einlaufen. Noch ist gut eine dreiviertel Stunde bis zum Start und die Stimmung wird von Radio Brocken angeheizt. An der Stempelstelle holen wir uns einen Sonderstempel für die Harzer Wandernadel. An den Stempelstellen finden sich übrigens seit kurzem QR-Codes über die man sich Sagen von „Sagenhafter Harz“ anhören kann. Eine tolle Möglichkeit etwas über die mysthischen Orte im Harz zu erfahren.


Ein paar einweisende Worte unseres Tourenguides Eddy und dann geht es los. Ca. 140 Wanderer setzen sich von Applaus begleitet in Bewegung. Ich halte mich mal im Mittelfeld. Nicht zu schnell und nicht zu langsam angehen ist mein Motto. Noch geht es ebenenen Weges Richtung Darlingerode. Doch bald folgt der erste Anstieg zum Ripperberg hinauf. Die große Gruppe wird die ganze Wanderung über zusammen bleiben. Ein Umstand der mir zunächst nicht gefällt, sich am Ende allerdings in puncto Gemeinschaftserlebnis als absoluter Burner erweist. Ein kurzer Regenschauer erwischt uns, Regenjacken, Schirme und Ponchos werden ausgepackt, die Rucksücke verhüllt. Doch am Waldgasthaus Plessenburg ist der Spuk schon wieder vorbei. Die Sonne kommt wieder heraus und so können wir den Mittagseintopf im Freien genießen.

Ca. 50 Minuten machen wir hier Pause, füllen unsere Rucksackverpflegung auf (hier herrschte kein Mangel) und weiter geht´s zum Ilsestein. Anschließend treffen wir uns mit den Nationalparkrangern im Ilsetal. Unter fachkundiger Führung und mit allerhand interessanten Informationen geht es durch selbiges hinauf zur Rangerstation am Scharfenstein. Hier wieder eine etwas längere Pause da wir sogar etwas zu schnell sind. Trotz des sehr unterschiedlichen Erfahrungsstandes was Wandermarathons betrifft ist das ganze Feld noch gut beisammen und bestens gelaunt. Jetzt schon, nach ca.20 Kilometern, ein großes Lob an alle Mitwanderer! Nirgends wird gemeckert, man hilft sich gegenseitig, wir sind jetzt schon eine Gemeinschaft.


Aber nun folgt ein ganz schöner Brocken. Steil bergauf geht es nämlich zum selbigen. Die Gruppe zieht sich weit auseinander. Und es bieten sich tolle Aussichten ins weite Umland. Wie gehen auf dem ehemaligen Kolonnenweg. Hier waren früher West und Ost getrennt. Ich halte kurz inne… ist es nicht wunderbar, dass dieser Kolonnenweg inzwischen als Wanderweg genutzt werden kann? Wie bestellt kommt auch gerade die Brockenbahn vorbei. Und dann sind wir oben… ganz oben! Denn der Brocken ist mit 1141 Meter Höhe auch der höchste Punkt der 24h-Wanderung. Ein gutes Gefühl den Großteil der Steigungen geschafft zu haben. Ich fühle mich gut, zusammen mit meinen Freunden genieße ich einen Kaffee. „Coffee to go“ steht auf den Bechern… Ironie des Schicksals?!


Doch auch wenn es gerade so bequem ist, wir müssen weiter. Wir machen noch ein Gruppenfoto vorm Gipfelstein und weiter geht es. Zunächst bergab. Immer an den Bahnschienen entlang. Doch dann kommt noch ein knackiger Anstieg. Denn unter fachkundiger Führung wandern wir hinauf zum Wurmberg. Am Wurmberg die nächste Überraschung: Sektempfang! Denn wir haben nun wirklich die anstrengensten Anstiege hinter uns gelassen. Was soll jetzt noch schief gehen? Ach ja, es liegt ja noch die ganze Nacht vor uns.



Doch vorher gibt es Abendessen im Loipenhaus Schierke. Nudeln, die kommen jetzt gerade recht. Und entgegen meiner sonstigen Wandergewohnheiten lasse ich mich von Reiner, Norbert und Lutz zu einem Bier und einem Schierker Feuerstein überreden. Ob das eine gute Idee ist? Egal, dermaßen gestärkt setzen wir unsere Stirnlampen auf denn draußen ist es inzwischen stockdunkel. Nun ist höchste Konzentration gefragt denn der erste Teil der Nachtstrecke ist ein wenig holprig. Am Start der alten Bobbahn vorbei marschieren wir hinunter nach Schierke. Ca. 3 Stunden gehen wir nun am Stück bis zur nächsten Pause. Die Gespräche verstummen, ich spüre wie jeder, so auch ich, mit sich selbst beschäftigt ist.

Ein Wandermarathon ist zum großen Teil Kopfsache. Man muss es wollen. Man muss positiv denken um die Nacht ohne Schlaf hinter sich zu bringen. Meine Garmin Fenix bringt mich zur Verzweiflung, ginge es nach ihr, müssten wir eigentlich schon fast am Ziel sein. In Drei Annen Hohne gibt es noch eine Nachtsuppe und zum wiederholten Male Gelegenheit den Flüssigkeitsvorrat aufzufüllen. Früh morgens um vier erreichen wir das Schaubergwerk Büchenberg. Einen Kaffee wünschte ich mir auf dem Weg hier her… und Kaffee gibt es auch! Und dämmert es da nicht auch schon in der Ferne?



Mit dem Gefühl, die Nacht geschafft zu haben wandern wir in den Sonnenaufgang den wir bei einer Rucksackpause am Henkersberg erleben dürfen. Henkersberg… wer hat sich das ausgedacht? Dabei liegt doch ein freudiges Ereignis vor uns. Es wird langsam Gewissheit, wir schaffen das! Auch wenn die Müdigkeit dem einen oder anderen doch anzusehen ist.



Um halb acht erreichen wir den Agnesberg mit tollem Blick auf das Schloss Wernigerode! Ab jetzt ist alle Plackerei vergessen. Es geht nur noch bergab, erst zum Schloss und dann in die Stadt. Am Schloß erwarten uns Jagdhornbläser. Viele der ca. 140 Teilnehmer wechseln ihre T-Shirts und tragen jetzt blau! Zufriedenheit und Euphorie macht sich breit. Der Weg durch die Stadt zum Marktplatz gleicht einem Triumphmarsch. Eddy sammelt seine Schäfchen, wir wollen alle gemeinsam und geschlossen durchs Ziel gehen. Nur noch eine Kurve, dann biegen wir auf den Marktplatz ein. Rythmisches Klatschen begleitet uns. Eddy gibt ein Kommando und wir joggen! durchs Ziel!

Ich fühle mich großartig. Wie ein Sportler der eine große Leistung erbracht hat. Und das haben wir alle ja auch. Man jubelt uns zu… wir bekommen ein frisch gezapftes Hasseröder in die Hand gedrückt. Menschen umarmen sich, beglückwünschen sich… Ich habe es geschafft! Und natürlich auch meine vier Wanderfreunde und all die anderen. Partystimmung, Weißwurstfrühstück, die Urkunden werden verteilt. Jeder darf nach vorne. Eine Familie, die drei Wanderungen der 24h Trophy mitgemacht haben, andere Wanderer sogar alle fünf… und kaum einem sieht man die vergangene Anstrengung an. Der Stolz überwiegt und lässt die Schmerzen in Vergessenheit geraten.

Das ist es warum ich mich nun schon zum dritten Mal einer solchen Herausforderung gestellt habe. Dieser Stolz über die erbrachte Leistung. Ich bin wieder einmal an meine Grenze gegangen und habe meinen inneren Schweinehund überwunden. Das Glücksgefühl beim Überschreiten der Ziellinie und nicht zuletzt die tollen Bekanntschaften die man macht. Ich weiß, es wird nicht das letzte Mal sein. Vielleicht wieder bei einer Wanderung der 24h Trophy? Denn diese Veranstaltung hat mich überzeugt. Bestens organisiert mit dem Ziel ein Gemeinschaftserlebnis zu schaffen. Liebevoll im Detail… und Wernigerode hat mich mit gelebter Gastfreundschaft eingenommen. Vielen Dank an alle Beteiligten für dieses irre Erlebnis.

Und zum Abschluss noch ein ganz besonderes Schmankerl! Wie eigentlich immer wenn Lutz von ogotube mit am Start ist, gibt es natürlich auch ein tolles Video über die Wanderung. Nehmt Euch mal diese 11 Minuten Zeit und schaut rein. Es lohnt sich:
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